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Verschwörungstheorien: Interview mit Kommunikationswissenschaftlerin Katharina Kleinen-von Königslöw

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Verschwörungstheorien: Interview mit Kommunikationswissenschaftlerin Katharina Kleinen-von Königslöw

Prof. Dr. Katharina Kleinen-von Königslöw ist Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft im Fachbereich Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg und erforscht die Debattenkultur in den Sozialen Netzwerken.

Frau Kleinen-von Königslöw, laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung vom Sommer 2021 glauben mittlerweile rund 18 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland an Verschwörungstheorien. Ist das jetzt ein gesellschaftliches Problem?
Das Ergebnis der Studie ist an sich nicht besonders ungewöhnlich. Zum gesellschaftlichen Problem wird der Glaube an Verschwörungstheorien nur dann, wenn er für zu viele Menschen handlungsleitend wird und daraus dann gesellschaftliche Probleme entstehen, also wenn sich beispielsweise zu viele Menschen deswegen nicht gegen Corona impfen lassen oder sie sogar impfende Ärzt*innen bedrohen und angreifen.

Wie erkennt man eine Verschwörungstheorie ganz deutlich?
Zentrales Merkmal: Verschwörungstheorien sind nicht widerlegbar. Das heißt: Zu jedem Gegenargument wird auch immer eine Erklärung gefunden, die dessen Gültigkeit wieder in Frage stellt. Es gilt: Je stärker behauptet wird, dass nichts zufällig passiert und je mehr Erklärungen hinter der Erklärung angeführt werden, desto eher ist es eine Verschwörungstheorie. Und: Je weiter sich die Behauptungen von Forschungsstand und Allgemeinwissen entfernen, desto wahrscheinlicher ist es eine Verschwörungstheorie.

Verschwörungstheoretiker, Querdenker, Impfgegner, Corona-Leugner (m/w) – wie differenzieren Sie?
Bei den Impfgegner*innen lohnt der genaue Blick darauf, was die konkreten Gründe für die Ablehnung der Impfung sind, und ob sie sich auf die eigene Impfentscheidung oder die Einführung einer Impfpflicht beziehen. Corona-Leugner*innen verleugnen in der Regel nicht die Existenz von Corona, sondern die Notwendigkeit der Corona-Maßnahmen, insofern vermeide ich diesen ungenauen Begriff am liebsten ganz. Bei Querdenker*innen und Verschwörungstheoretiker*innen sind die Überlappungen dagegen so groß, dass sich ein differenzierter Umgang nicht recht lohnt.

Wie können Mitarbeitende gegen Angriffe von Verschwörungstheoretiker*innen geschützt werden?
In solchen Fällen ist es erst einmal wichtig, eine Anlaufstelle für die betroffenen Mitarbeitenden zu haben.

Wie sollen sich Mitarbeitende verhalten, deren Vorgesetzte Verschwurbeltes verbreiten?
Das ist eine sehr schwierige Situation, mit der wir an der Universität Hamburg ja leider durchaus Erfahrung haben. Meine Empfehlung wäre, sich mit anderen Kolleg*innen zu beraten, wer am besten dazu korrigierend Stellung nehmen kann, weil er/sie a) am wenigstens Retributionen befürchtet muss und b) am glaubwürdigsten Kritik äußern kann. Auch mit einer gemeinschaftlichen Stellungnahme machen sich die einzelnen Mitarbeitenden weniger zur Zielscheibe für mögliche Retributionen.

Wie reagieren Sie selbst auf Verschwörungstheorien?
Als Lehrende oder geladene Rednerin fühle ich mich verpflichtet, Verschwörungstheorien wenig Raum zu geben. Manchmal kann es sich aber auch lohnen, die Verschwörungstheoretiker*innen dazu aufzufordern, einen bestimmten Aspekt mit Blick auf das Thema genauer zu erläutern und sich darüber selbst bloß zu stellen. Als reine Zuhörerin würde ich mir dagegen immer überlegen, ob sich Aufwand und Risiko lohnen.

Hinweis für DESYanerinnen und DESYaner:

Wenn Sie unsicher sind, wie Sie mit verschwörungs­gläubigen Menschen in Ihrem privaten oder beruflichen Umfeld umgehen sollen und diese Situation Sie belastet, nehmen Sie Kontakt zum DESY-Betriebsrat auf. Am besten über die Adresse: betriebsrat-hamburg@desy.de. Jedes Gespräch ist selbstverständlich vertraulich.