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Christoph Welling: Neutrinoforscher auf Grönland-Mission

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Christoph Welling: Neutrinoforscher auf Grönland-Mission

Endlich in Grönland: Christoph Welling und Ilse Plaisier installieren an der Summit Station dieser Tage die ersten Antennen im Eis.

Christoph Welling ist mittlerweile vor allem eins: Quarantäneprofi. Bevor der Astroteilchenphysiker aus Zeuthen den ersten Fuß auf grönländisches Eis setzen kann, braucht er viel Geduld. Erst wurde das Pionierprojekt „Radio Neutrino Observatory Greenland“ (RNO-G) coronabedingt um ein Jahr verschoben, mit der Zusage für 2021 kamen dann aber auch die strengen Quarantäneregeln: erst zwei Wochen in Berlin, dann der Flug nach Kangerlussuaq in Westgrönland – und auch dort nochmal: zwei Wochen Abschottung. „Es geht alles sehr langsam“, sagt der 30-Jährige. „Aber mittlerweile bin ich im Quarantänetrott drin.“ Er nutzt die Zeit für die Arbeit an seiner Doktorarbeit. Während er auf seinem Zimmer in der Station der National Science Foundation sitzt, schreibt er noch sein drittes Paper.

Welling und seine DESY-Kollegin Ilse Plaisier sind Teil eines internationalen Forschungsteams, das dieser Tage beginnt, im grönländischen Gletschereis eine weltweit einzigartige Anlage aufzubauen, um damit nach schnellen Teilchen aus dem All zu suchen: Mit dem Pionierprojekt „Radio Neutrino Observatory Greenland“ (RNO-G) testen die Astroteilchenphysikerinnen und -physiker auch eine neue Messmethode: Sie wollen schauen, wie gut sich extrem energiereiche kosmische Neutrinos mit Radioantennen nachweisen lassen. An der Forschungsstation „Summit Station“ installieren Welling und Plaisier zusammen mit vier weiteren Physikerinnen und Physikern und zwei Experten für Bohrlöcher die ersten Antennen im Eis.

Insgesamt 35 Stationen mit Radioantennen sollen mit einem Abstand von je 1,25 Kilometern nahe der Summit Station auf dem mächtigen grönländischen Eisschild installiert werden. Trotzdem kann es Monate oder sogar Jahre dauern, bis der Detektor anschlägt. „Meine Arbeit vor Ort ist, zu schauen, ob die Technik, wenn sie aufgebaut ist, funktioniert und in der Lage ist, die Neutrinos zu detektieren“, sagt Welling.

Seinen Freunden erklärt der DESYaner seine Arbeit so: „Wir stecken Radioantennen ins Eis und gucken, was passiert.“ Mit den Radioantennen wollen die Forschenden elektrisch geladene Folgeteilchen aufspüren, die entstehen, wenn ein Neutrino zufällig auf ein Atom stößt – wie zum Beispiel im grönländischen Eisschild. Die Folgeteilchen dieser Kollision erzeugen Radiowellen, die von den Antennen gemessen werden sollen.

„Der Vorteil von Radiowellen ist, dass Eis für sie ziemlich durchsichtig ist“, sagt Welling. „Das heißt, wir können Radiosignale über Distanzen von einigen Kilometern detektieren.“ Je höher die Reichweite, desto größer das Volumen im Eis, das sich überwachen lässt, desto größer ist die Chance, eine der seltenen Neutrinokollisionen im Gletscher aufzuspüren. „RNO-G wird der erste Radio-Neutrinodetektor im großen Maßstab sein“, sagt Welling. Zuvor hatten kleinere Versuche bereits gezeigt, dass der Nachweis kosmischer Teilchen über Radiowellen grundsätzlich möglich ist.

Ein Radio-Neutrinodetektor soll später auch am anderen Ende der Welt in das Neutrino-Observatorium IceCube-Gen2 am Südpol eingebaut werden. „Die beiden Systeme ergänzen sich ideal“, sagt Welling. „Der optische IceCube-Detektor misst Neutrinos bis zu einer Energie von etwa einer Billiarde Elektronenvolt, das Radio-Antennenfeld wird ab rund zehn Billiarden bis zu hundert Trillionen Elektronenvolt empfindlich sein.“ Das Elektronenvolt ist eine in der Teilchenphysik weit verbreitete Einheit der Energie. Hundert Trillionen Elektronenvolt entsprechen etwa der Energie eines kräftig geschlagenen Squashballs mit 130 Kilometern pro Stunde – aber im Fall eines Neutrinos konzentriert in einem einzelnen subatomaren Teilchen, das Trillionen Trillionen Mal leichter ist als ein Squashball.

Wäre IceCube vielleicht auch mal ein Ziel für Welling? „Klar, wenn die Gelegenheit kommt, würde ich natürlich auch sehr gern mal in die Antarktis“, sagt er. Aber jetzt schaue er erstmal voller Vorfreude und Tatendrang auf die nächsten Wochen auf der Summit Station. „Ich freue mich riesig darüber, hier zu sein. Jeder, der in dem Gebiet arbeitet, hat den Traum mal vor Ort zu arbeiten.“ Und für Welling bedeutet es auch endlich eins: T-Shirt und Jogginghose des Stubenhockerdaseins gegen die Extreme Cold Weather Gear mit dicker Jacke, Latzhose und Skibrille einzutauschen.