DESY KOMPAKT 06/2021
Grundlagenforschung und Klimaschutz
Presse & Kommunikation
Grundlagenforschung und Klimaschutz
Topthema: Nachhaltigkeitsmanagement und Energieeffizienz: +++ Umschalten: Großgeräte grün planen +++ Sauber! DESY-Forschung zu starkem Biostoff +++ Transfer: Von der Beamline in die Anwendung +++ Liebe Leserin, lieber Leser,
die Forschungsinfrastrukturen bei DESY ermöglichen immer wieder herausragende Forschungsergebnisse. Gleichzeitig verbrauchen diese Großgeräte und die dazugehörige Infrastruktur etwa im Bereich der Datenverarbeitung im Bau und Betrieb große Mengen wertvoller Ressourcen; von Strom und Wasser bis hin zu Seltenen Erden oder Helium. DESYs Versprechen lautet: Wir setzen diese Ressourcen so effizient und nachhaltig wie möglich ein. Denn Ressourcenschutz ist ein zentraler Aspekt unserer Strategie und Teil der DESY-Kultur. Das bedeutet, ganzheitlich nachhaltig zu denken und zu handeln. Deshalb entwickeln wir ein modernes, ressourcenschonendes Wissenschaftsumfeld und einen naturnahen Campus, auf dem etwa auch zu Themen wie neuen Biobaustoffen geforscht wird. Und damit die Ideen aus der Grundlagenforschung rasch ihren Weg in die Anwendung finden, sorgt DESY aktiv für den Transfer von nachhaltigen Konzepten in Wirtschaft und Gesellschaft.
Zu all diesen Themen erfahren Sie mehr in diesem Newsletter. Auch mit dabei: Ausblicke, wie wir bei der Planung von PETRA IV, der besten Synchrotronstrahlungsquelle der Welt, auch in Sachen Nachhaltigkeit Vorreiter sein wollen. Ihr Christian Harringa Administrativer Direktor
IM FOKUS
Unter Strom Grundlagenforschung und Klimaschutz: zwei gesellschaftliche Kernthemen – eine Mammutaufgabe. Auch für DESY. Die Ausgangslage: Die benötigte Strommenge von DESYs exzellenten Forschungsgroßgeräten entspricht derzeit in etwa dem täglichen Verbrauch von 150.000 Bürgerinnen und Bürgern. Eine gewaltige Zahl. Das wollen wir ändern!
Das Ziel: Nachhaltige Forschungsvoraussetzungen für nachhaltige Forschungsergebnisse. „Hoffentlich können wir eines Tages unsere Teilchenbeschleuniger mit Strom von Windparks oder Solaranlagen unserer Wahl betreiben“, sagt DESYs Nachhaltigkeitsmanagerin Denise Völker. „Bis dahin nutzen wir im Rahmen der vorgegebenen Bedingungen jede Möglichkeit, beste Forschung zu existenziellen Menschheitsfragen unserer Zeit so energieeffizient wie möglich zu betreiben.“ Dafür hat die glühende Verfechterin für DESYs Klimaziele eine Energiemanagerin im Team – und eine klare Strategie: analysieren, reduzieren, recyceln! DESYs Nachhaltigkeitsstrategie verpflichtet: Beschleunigerdirektor Wim Leemans und Nachhaltigkeitsmanagerin Denise Völker im Gespräch. Ökotest für PETRA IV Teilchenbeschleuniger sind nicht nur brillante Forschungsgroßgeräte, sie sind auch beeindruckende Stromfresser. Doch wie lässt sich ihr Energieverbrauch optimieren? Wim Leemans und Denise Völker haben die Herausforderung zum Stromsparen bei der Planung von DESYs Zukunftsprojekt PETRA IV angenommen; dem Forschungsgroßgerät, das die Röntgenbildgebung revolutionieren soll.
Leemans ist Direktor des DESY-Beschleunigerbereichs und Vollblutforscher mit ökologischem Gewissen. Völker ist DESYs Nachhaltigkeitsmanagerin mit einem besonderen Gespür für Forschungsfragen. Und PETRA IV soll das zukünftig weltbeste 3D-Röntgenmikroskop werden. Wird es auch das umweltfreundlichste? Ein Gespräch mit zwei DESY-Verantwortlichen mit unterschiedlichen Blickwinkeln – aber demselben Ziel.
Biomaterialforscher mit Röntgendurchblick: Stephan Roth entwickelt an DESYs Lichtquelle PETRA III nachhaltige Superfasern. Der Superfaserforscher Stephan Roth spricht mit einer Leidenschaft von Cellulose-Nanofibrillen wie andere über Torschützenkönige. Er ist der DESY-Wissenschaftler, der 2018 mit einem schwedisch-deutschen Forschungsteam an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III das stärkste Biomaterial der Welt herstellte. Seitdem ist ein Prozess in Gang gekommen, der sich um die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der verheißungsvollen Superfaser und ihre herausragenden Eigenschaften (ressourcenschonend, transparent, extrem fest) dreht. Vor allem ist das Biomaterial funktionalisierbar. „Wir können die Fasern zum Beispiel leitfähig, flexibel und wasserabweisend machen“, ist sich Stephan Roth sicher. Diesem Ziel rücken die Forschenden immer näher. Und sie arbeiten intensiv daran, jenes nachwachsende Wundermaterial, das zukünftig Plastik ersetzen soll, auf den Markt zu bringen. Nachhaltige Forschung bei DESY: Stephan Roth im Gespräch über ultradünne Schichten, ultradünne Fasern und eine ultra-nachhaltige Zukunft. Statt Plastik: Künstliche, hochfeste Zellulosefasern. Biomaterial: Von der Beamline in die Anwendung In welchen Forschungsergebnissen stecken zukünftige Innovationen, von denen Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen profitieren können? Um das Grundlegende mit dem Angewandten zu verbinden, lotet bei DESY die Abteilung Innovation & Technologietransfer (ITT) das Potential wissenschaftlicher Ergebnisse und Erfindungen aus. „Wir beobachten Projekte aus DESYs Grundlagenforschung schon in der Frühphase und vernetzten sie mit Partnern aus der angewandten Forschung und Industrie“, sagt Chief Technology Officer Arik Willner. Der Weg von der Beamline in den Baumarkt, der Prozess vom Versuchserfolg bis zum alltagstauglichen Produkt ist komplex – und Teil von DESYs Innovationsstrategie.
Ein aktuelles Beispiel ist das stärkste Bio-Material der Welt aus Cellulose, das 2018 an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III unter Beteiligung von DESY-Wissenschaftler Stephan Roth hergestellt wurde (siehe Text „Der Superfaserforscher"). Die Entdeckung sorgte nicht nur in den Medien, sondern auch bei Unternehmen verschiedenster Branchen für großes Interesse. Damit im nächsten Schritt das umweltfreundliche, ultrastarke Material in die Anwendung kommt, baut DESYs ITT-Abteilung gerade ein entsprechendes Forschungsnetzwerk im Sinne vom „Open Innovation“-Prinzip auf. Parallel werden einzelne Projekte mit verschiedenen Industriepartnern umgesetzt. Im Fokus steht derzeit die Konzeption und Steuerung eines ZIM-Netzwerks (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand), um das gesamte Potenzial dieses Bio-Materials zu erkennen und in die Anwendung zu bringen.
Kontakt: Verantwortliche für den Aufbau der Forschungsnetzwerke im Bereich nachhaltige Materialien ist Industry Relations Managerin Nadja Kölpin. nadja.koelpin@desy.de
Transfer-News +++ Beratungspower für Start-ups: DESY kooperiert mit dem Verein Wirtschaftssenioren e.V. +++ Pilotprojekt für praktischen Wissenstransfer: Neue Start-up School „CAROTS“ online gestartet +++ Für besseren 3D-Druck: DESY testet gemeinsam mit DMG Digital Enterprises neue Materialien +++ Aus der Forschung in die Industrie: Neues Kompaktgerät zur präzisen Positionierung von Schwerlasten entwickelt +++ Detektor zur Materialanalyse: Das Start-up WiredSense erhält finanzielle Förderung „InnoRampUp“ +++
IMPULS Astro-Animation: Was vor 700 Millionen Jahren im All passierte Ein geisterhaftes Elementarteilchen hat ein internationales Forschungsteam um DESY-Wissenschaftler Robert Stein auf die Spur eines gigantischen kosmischen Teilchenbeschleunigers gebracht. Das Neutrino wurde vor rund 700 Millionen Jahren in Richtung Erde geschleudert. Es ließ sich zu einem supermassereichen Schwarzen Loch in einer fernen Galaxie zurückverfolgen, dem ein Stern zu nahe gekommen und dann von dessen Schwerkraft zerstört worden war. Eine DESY-Animation zeigt, wie die fantastischen Ereignisse hinter der Entdeckung ausgesehen haben könnten.
Upcycling für die Jagd nach Dunkler Materie Im Hamburger Untergrund entsteht gerade das neue Experiment ALPS II, das endlich das Rätsel um Dunkle Materie lösen könnte. Forschergeist trifft hier auf Nachhaltigkeit: ALPS nutzt den Tunnel des ehemaligen HERA-Beschleunigers. Außerdem werden 24 Beschleunigermagnete aus den 80er Jahren wiederverwendet, die für das neue Experiment mit modernsten Optik- und Detektortechnologien ausgestattet wurden. Ende 2021 soll ALPS II in Betrieb gehen. Das Experiment ALPS II ist der Dunklen Materie auf der Spur. Mit einem starken Magnetfeld, Laserlicht und einem ultrapräzisen Detektor sucht es nach Teilchen, die Licht durch eine Wand gehen lassen können.
Corona-Animation: Wie das Wirkstoffscreening an PETRA III funktioniert Auf der Suche nach Kandidaten für ein potenzielles Corona-Medikament überprüft ein von DESY geleitetes Forschungsteam an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III einen Katalog von fast 6000 bekannten Wirkstoffen. Coronavirus-Proteine im Röntgenblick – kurz erklärt in 160 Sekunden.
CAMPUS Diskutierten vor Ort und per Video (v.l.): Moderator Frank Böttcher, Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher, UFZ-Forscherin Katja Bühler, Energieökonomin Claudia Kemfert, Gastgeber und DESY-Chef Helmut Dosch, Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser und DESY-Wissenschaftlerin Simone Techert. Grüner Wasserstoff: Sustainability Talk bei DESY Wie eine Wasserstoffwirtschaft nachhaltig entwickelt werden kann, darum ging es Mitte April beim Helmholtz Sustainability Talk bei DESY mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, von NGOs und aus der Helmholtz-Wissenschaft. Für Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher braucht es eine Faszination für nachhaltige Energiewirtschaft. Sämtliche Entwicklungen und Strategien müssten mitgedacht werden, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors und der Industrie zu gestalten. Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser fordert zur Herstellung von grünem Wasserstoff den Ausbau der Wind- und Sonnenenergie. Und DESY-Forscherin Simone Techert betont, wie wichtig die Grundlagenforschung für die Weiterentwicklung der Energieforschung ist.
Pflanzten vor Ort: DESY-Direktor Helmut Dosch und Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan setzen zum Start der Begrünung von Halle 36 eine Clematis und eine Kiwi. DESYs grüne Dächer Blühende Forschungslandschaften in Hamburg-Bahrenfeld: DESY und die Umweltbehörde der Stadt Hamburg realisieren eines der größten Projekte der Hansestadt zur Gebäudebegrünung. Dabei werden rund 4.600 Quadratmeter Fassaden- und Flachdachfläche von DESYs Experimentierhalle 36 mit rund 25.000 Pflanzen begrünt. Die Stadt Hamburg fördert das Pilotprojekt mit 410.000 Euro. Umweltsenator Jens Kerstan: „Es zeigt, was in Hamburg möglich ist, um die Stadt trotz Bevölkerungswachstums und Wohnungsbaus noch grüner zu machen.“ DESY-Direktor Helmut Dosch: „Nachhaltigkeit hat bei uns unter dem Motto ‚Green DESY‘ viele Facetten. Das geht von der Erforschung neuartiger Materialien und der Nutzung regenerativer Energien bis zu umweltfreundlichen Baumaßnahmen.“ Zum Projektstart pflanzten Kerstan und Dosch Ende Mai symbolisch zwei Kletterpflanzen.
IMPRESSUM Herausgeber: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY Kontakt: kompakt@desy.de Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY |