Topthemen: Beschleuniger der Zukunft: In welche Richtung die Forschung geht +++ Perfekte Welle: Wie Plasmabeschleunigung funktioniert +++ Gesundheit: Warum Teilchenbeschleuniger für die Gesellschaft so wichtig sind +++
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Liebe Leserin, lieber Leser,
DESY hat eine klare Vision für beschleunigerbasierte Forschung. Die Menschen, die hier arbeiten und forschen, eint das ehrgeizige Ziel, diese Technologie bis an ihre Grenzen zu bringen: Sie entwickeln die nächste Generation von Teilchenbeschleunigern – kompakte Geräte, die dorthin gebracht werden können, wo sie gebraucht werden. In Forschung, Industrie und Gesellschaft. Warum, das erfahren Sie hier in unserem Newsletter.
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DESYs Plasmabeschleuniger-Pionier: Wim Leemans, Beschleuniger-Direktor bei DESY. (Foto: DESY/Werner Bartsch)
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"Wir bringen die Maschine zum Problem."
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von Wim Leemans, DESYs Direktor für den Beschleunigerbereich
DESY ist eines der führenden Beschleuniger-Forschungszentren der Welt. Schon immer hat das Forschungszentrum bei Entwicklung, Bau und Betrieb von Teilchenbeschleunigern den Kurs angegeben. Von den Anfängen im Jahr 1959, als hier der erste Beschleuniger gebaut wurde, bis zum Jahr 2007, als HERA mit seinen 6,3 Kilometern Umfang abgeschaltet wurde, wurden an den Beschleunigern vor allem Spitzenexperimente der Teilchenphysik durchgeführt. Heute werden Beschleuniger auf dem DESY-Campus hauptsächlich für die Forschung mit Photonen betrieben, die in den frühen 1980er Jahren als „Nebenprodukt“ am DORIS-Beschleuniger begann.
Entscheidend für den Erfolg von DESY ist, dass wir uns immer Gedanken über die nächste Generation von Beschleunigern gemacht haben und machen. DESY arbeitete schon an der Entwicklung der supraleitenden Hochfrequenz-Beschleunigertechnologie, als HERA gebaut und in Betrieb genommen wurde. Die erfolgreiche Entwicklung dieser damals revolutionären Technologie war die Grundlage für die erste Freie-Elektronenlaser-Anlage der Welt, die heute als FLASH bekannt ist (FLASH ist im Jahr 2000 aus der TESLA-Testanlage TTF hervorgegangen). Sie bildet die Grundlage für den leistungsstärksten Freie-Elektronenlaser (FEL) der Welt, den European XFEL, sowie für neue FELs, die derzeit gebaut werden.
Wir nehmen nun Kurs auf, plasmabasierte Beschleunigertechnologie so weit zu entwickeln, dass eine neue Generation von Beschleunigern möglich wird – Beschleuniger, die wesentlich kompakter sind und dennoch die erforderliche Leistung erbringen. So können Plasmabeschleuniger elektrische Felder erzeugen, die bis zu tausendmal stärker sind als bei herkömmlichen Beschleunigern. Dadurch werden sie viel kleiner und kompakter. Ich selbst habe mehr als drei Jahrzehnte lang in den USA an dieser Technologie gearbeitet. Wir haben Methoden erforscht, um die höchstmögliche Strahlenergie und -qualität von laserbasierten Plasmabeschleunigern zu erreichen und kompakte Systeme zu bauen, die es ermöglichen, „die Maschine zum Problem zu bringen“, wie ich es nannte – statt wie üblich das Problem oder den Forschungsgegenstand zur Maschine. Mit einem außerordentlich starken Team unter der Leitung von Jens Osterhoff und Andreas Maier und mit Hilfe des breiten und tiefen Know-hows im Bau und Betrieb von Beschleunigern investieren wir hier bei DESY in dieses spannende Feld der Beschleunigerforschung – sowohl mit laser- als auch mit elektronenstrahlgetriebenen Plasmabeschleunigern. Ziel ist es, das Gebiet so weit voranzubringen, dass der Bau einer neuen Generation von hochleistungsfähigen, zuverlässigen Plasmabeschleunigern möglich wird. Es sind aufregende Zeiten! Wir setzen auf unsere technologische Exzellenz und Partnerschaften mit anderen Instituten und der Industrie. So habe ich keinen Zweifel daran, dass neue Benutzereinrichtungen auf der Grundlage von Plasmabeschleunigern möglich sein werden und zu kompakten tragbaren Systemen führen, die beispielsweise im Gesundheitswesen und der Industrie eingesetzt werden können.
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Kernstück für die nächste Generation Teilchenbeschleuniger: eine Plasmazelle, in der Forschende Elektronenpakete beschleunigen. (Foto: DESY/Heiner Müller-Elsner)
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Teilchenbeschleuniger sind vielseitige, unverzichtbare Werkzeuge – in der Forschung und in der Industrie. Mit den oft gewaltigen Anlagen – manche messen mehrere Kilometer – lassen sich zum Beispiel Materialproben bis in ihre atomaren Details untersuchen und neue Elementarteilchen aufspüren. Sie helfen bei medizinischen und pharmazeutischen Entwicklungen ebenso wie bei der Verbesserung von Solarzellen und der Erforschung effizienter Katalysator-Materialien. Weltweit gibt es mehr als 15.000 Teilchenbeschleuniger; einige der modernsten und besten stehen bei DESY, wie der Freie-Elektronen-Laser FLASH oder der weltbeste Röntgenlaser European XFEL, der bei DESY in Hamburg beginnt. Bisher werden Teilchen mit elektrischen Feldern im Bereich von Radiowellen auf Trab gebracht. Doch es geht auch anders: Physikerinnen und Physiker in aller Welt forschen an neuen Technologien, um Beschleuniger deutlich kleiner, günstiger und noch effektiver zu machen, mit denen sich dann ganz neue Anwendungsmöglichkeiten erschließen lassen. DESY-Forscherinnen und -Forscher sind im weltweiten Wettbewerb um die nächste Generation kompakter Teilchenbeschleuniger ganz vorne mit dabei.
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Blick in die Zukunft: Forschende wie der DESY-Physiker Jens Osterhoff wollen Teilchenbeschleuniger zukünftig sehr viel kompakter machen. (Foto: DESY/Gesine Born)
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"Visionen als Antrieb sind wichtig."
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Jens Osterhoff denkt groß, um die Lösung klein zu kriegen: Zusammen mit einem hoch motivierten Team arbeitet der DESY-Physiker an einer neuen Generation Teilchenbeschleuniger, die so kompakt, kostengünstig und trotzdem ultra-leistungsstark ist, dass die Anlagen in Universitäten oder Krankenhäusern Platz hätten – und sogar mobil zum Einsatz kommen könnten. Was vor vielen Jahren als Vision begann, ist der Realität mittlerweile schon recht nahe. Einer der Schlüssel zur Lösung: Plasmabeschleunigung. In diesem Bereich forschen bei DESY starke Teams unter der Leitung von Jens Osterhoff und Andreas Maier. „Die Mini-Plasmabeschleuniger der Zukunft sind ein Beispiel dafür, warum Grundlagenforschung eine solch große wissenschaftliche und auch gesellschaftliche Relevanz hat“, sagt Jens Osterhoff, der in diesem Jahr für seine Forschung mit dem Bjørn H. Wiik-Preis ausgezeichnet wird. Was er damit meint, erklärt Osterhoff im DESY Kompakt-Interview.
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Gezielte Diagnose: Mit Antikörpern gespickte Gold-Nanopartikel können sich gezielt an Tumore heften und lassen sich dort per Röntgenfluoreszenz aufspüren. (Foto: Meletios Verras)
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Neue Methoden für bessere Diagnosen
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Teilchenbeschleuniger sind nicht nur ein wichtiges Therapiewerkzeug in der Medizin – in Kombination mit speziellen Bildgebungsmethoden können sie auch die Diagnostik entscheidend verbessern. Ein Beispiel dafür ist die Röntgenfluoreszenz-Methode. Bei DESY wird sie von einem Team um Florian Grüner von der Universität Hamburg an PETRA III weiterentwickelt.
Mit diesem Präzisions-Röntgenverfahren – so die Vision – lassen sich selbst Mini-Tumore aufspüren, die mit heute gängigen Verfahren schlicht nicht sichtbar gemacht werden können. Die Idee dahinter: Winzige Nanopartikel aus Gold werden mit Antikörpern gespickt. Die Partikel wandern durch den Körper, wobei die Antikörper an eventuell vorhandenen Tumoren oder Metastasen andocken. Werden die entsprechenden Körperregionen mit einem haarfeinen Röntgenstrahl abgescannt, fluoreszieren die Goldteilchen und senden charakteristische Röntgensignale aus, die wiederum von einem speziellen Detektor aufgenommen werden.
Auch in der Erforschung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Darmkrebs setzen Wissenschaftler Hoffnung in die Röntgenfluoreszenz-Methode. Hier arbeitet Florian Grüner mit dem Mediziner Samuel Huber vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dessen Team zusammen. Das Problem bisher: Mediziner verstehen Auslöser und Verlauf dieser Darmkrankheiten noch zu wenig. „Das ändert sich mit der Röntgenfluoreszenzmethode“, sagt Grüner. „Mit der von uns weiterentwickelten Methode lässt sich künftig der zeitliche Verlauf der Immunreaktionen beobachten. So können wir dann etwa nachvollziehen, wie sich verschiedene Immunzell-Typen im Körper verhalten.“ Forschende erhoffen sich von der Technik einmalige Aufschlüsse über die Abläufe und Ursachen von Krankheiten und wollen so helfen, neue Medikamente und Therapien zu entwickeln.
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Beschleuniger in der Krebstherapie
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Strahlentherapie ist eine zentrale Säule in der Krebstherapie, Schätzungen zufolge werden rund die Hälfte der Krebspatientinnen und -patienten im Laufe ihrer Erkrankungen damit behandelt. Die FLASH-Strahlentherapie ist ein neuer experimenteller und hochinnovativer Ansatz: Dabei werden die Krebszellen durch Teilchenstrahlung von speziell entwickelten Beschleunigern zerstört. Im Vergleich zur herkömmlichen Bestrahlung nutzen Medizinerinnen und Mediziner hierbei ultra-hohe Dosisraten, die die notwendige Strahlung im Bruchteil einer Sekunde verabreichen.
„Zahlreiche Versuche haben bereits gezeigt, dass durch die Anwendung von FLASH die Nebenwirkungen nach der Bestrahlung um bis zu 50 Prozent reduziert werden können“, erklärt Vincent Ehrhardt vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Und das bei gleichbleibender Wirkung auf den Tumor. Ehrhardts Hoffnung: „Dieser Effekt könnte es uns zukünftig ermöglichen, Tumore noch intensiver zu therapieren, ohne aber Patientinnen und Patienten zusätzlich zu schaden – davon erwarten wir höhere Heilungschancen.“
DESY-Gruppen in Hamburg und Zeuthen entwickeln derzeit gemeinsam mit Teams aus der medizinischen Forschung Ideen für Forschungskooperationen in diesem Bereich. Darunter auch das Team um Vincent Ehrhardt vom UKE. Der Beschleuniger PITZ in Zeuthen bietet für die Forschenden beste Voraussetzungen, denn die Anlage lässt sich flexibel an bestimmte Forschungsbedürfnisse anpassen und verfügt über einen extrem breiten Parameterbereich für Elektronenstrahlen.
UKE-Forscher Ehrhardt: „Die einmalige Infrastruktur und der Innovationsanspruch von DESY bieten unserem Team die besten Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der FLASH Strahlentherapie.“ Das Ziel: den FLASH-Effekt besser verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.
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Hier zieht die Zukunft ein: Die Start-up Labs Bahrenfeld, ein Gemeinschaftsprojekt von DESY, der Universität Hamburg und der Stadt Hamburg, sind der neue Ort für Wissenschafts-Unternehmergeist auf dem Forschungscampus von DESY. (Foto: DESY/Marta Mayer)
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Wissenschafts-Unternehmergeist hat eine neue Adresse in Hamburg: die Start-up Labs Bahrenfeld. Bei der Eröffnung des Innovationszentrums für junge Unternehmen, Existenzgründerinnen und -gründer im September sprach Hamburgs Erster Bürgermeister, Dr. Peter Tschentscher, von einem Ort, „an dem aus Grundlagenforschung und klugen Ideen innovative Produkte und Anwendungen entstehen“. Ein Großteil der Räumlichkeiten auf 2700 Quadratmetern ist bereits vermietet. Die Start-up Labs sind ein Gemeinschaftsprojekt von DESY, der Universität Hamburg und der Stadt Hamburg.
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Persönliche Risikobewertung: Die Corona-App von DESY-Physiker Ayan Paul ist in den App-Stores erhältlich. (Grafik: DESY)
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Digital Health: Corona-App von DESY-Physiker in App-Stores
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Sie heißt CoVis und dient der persönlichen Corona-Risikobewertung: Die von DESY-Physiker Ayan Paul und seinem Team entwickelte Corona-App kann seit August kostenlos in App Stores heruntergeladen werden (iOS und Android). CoVis verwendet Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen von Algorithmen und basiert auf öffentlichen Daten, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie auf persönlichen Informationen der Nutzerinnen und Nutzer. Der App können außerdem Impf-Informationen hinzugefügt werden. Und: Inzidenzwerte werden in einem 7-Tage-Diagramm angezeigt. Langfristig will das CoVis-Team, das mit Unterstützung vom DESY Start-up Office die Firma CoVis Inc. gründete, die App auch für den weltweiten Einsatz bei anderen Infektionskrankheiten weiterentwickeln.
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Auftakt zur Kooperation KAI: DESY-Direktor Helmut Dosch, Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und HAW-Präsident Micha Teuscher (v.l.). (Foto: HAW Hamburg/Holger Braack)
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DESY und die HAW Hamburg vereinbaren neue Kooperation
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Gemeinsam ausbilden, forschen, entwickeln – und neue Perspektiven schaffen: DESY und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) haben eine neue strategische Kooperation für Anwendung und Innovation (KAI) vereinbart. Im Fokus: Duales Studium und Lehre, Forschung und Entwicklung sowie Technologie- und Wissenstransfer. Ziel: eine exzellente Ausbildung für dringend benötigte hochqualifizierte Ingenieurinnen und Ingenieure, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Mit der Kooperation unterstützen DESY und die HAW Hamburg auch den Strukturwandel der Hansestadt zur Wissenschafts- und Innovationsmetropole im Norden. Die Stadt Hamburg fördert KAI mit einer Anschubfinanzierung von 120.000 Euro.
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DESY-Campustour im Rahmen der Karl Heinz Beckurts-Preisverleihung (v.l.): Oliver Seeck (Gruppenleiter Photonscience DESY), Wim Leemans (DESY-Beschleunigerdirektor), Roland Busch (CEO Siemens AG), Helmut Dosch (Vorsitzender des DESY-Direktoriums), Ingmar Hoerr (CureVac-Gründer), Vasilis Ntziachristos (Preisträger), Venetia Ntziachristos (Tochter des Preisträgers), Christian Stegmann (DESY-Direktor Astroteilchenphysik), Arik Willner (CTO DESY). (Foto: DESY/Jörg Modrow)
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Karl Heinz Beckurts-Preis 2021 bei DESY vergeben
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Er lauscht dem Licht: Vasilis Ntziachristos wurde für seine herausragende Leistung auf dem Gebiet der biomedizinischen Bildgebung mit dem mit 30.000 Euro dotierten Karl Heinz-Beckurts-Preis 2021 ausgezeichnet. Ntziachristos ist Leiter des Instituts für Biologische und Medizinische Bildgebung am Helmholtz Zentrum München und Professor an der Technischen Universität München. Die mRNA-Impfstoff-Pioniere Uğur Şahin und Özlem Türeci (BioNTech) sowie CureVac-Gründer Ingmar Hoerr wurden für ihre Leistungen mit Ehrenmedaillen gewürdigt. Die Preisverleihung fand in diesem Jahr auf dem DESY-Campus in Hamburg statt. Am Rande kam es zum Austausch von Spitzenkräften aus Forschung und Industrie.
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Herausgeber: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY
Ein Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft
Bildnachweise: DESY/Ángel Ferran Pousa, DESY/Werner Bartsch, DESY/Gesine Born, DESY/Meletios Verras, DESY/Marta Mayer, DESY/Axel Heimken, DESY/Heiner Müller-Elsner, DESY/Jörg Modrow, SLAC/National Accelerator Laboratory, HAW Hamburg/Holger Braack, Lucid
Kontakt: kompakt@desy.de
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Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY
Ein Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft
Notkestraße 85 | 22607 Hamburg www.desy.de
© Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY
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